Gähn, ich bin soooooooo müde. Ich bin sogar zu faul, aufzustehen und zum Napf zu gehen.
Gestern hab ich ein Gespräch zwischen Yuki, Quietschie und unserer Fitnesstrainerin belauscht. Ja, ja, ich weiß, lauschen darf man nicht. Aber manchmal heiligt der Zweck eben die Mittel. Und da es nicht mehr lange dauert bis zur Wahl des WG-Chefs muss ich ja irgendwie herausfinden, was Yuki und Quietschie denken.
Wenn ich euch gleich erzähle, was die Drei besprochen haben, werdet ihr verstehen, warum ich letzte Nacht so schlecht geschlafen habe und nun hundemüde bin, äh, ich meine natürlich katzenmüde. Das Fressen ist mir dabei auch gleich vergangen.
Fitnesstrainerin: Hallo Yuki! Hallo Quietschie!
Yuki: Hola!
Quietschie: Hallo! Wie geht’s dir?
Fitnesstrainerin: Ach, soweit ganz gut. Und euch? Habt ihr fleißig den Parcours trainiert?
Quietschie: Aber sicher. Der macht ja auch total viel Spaß.
Yuki: Hast du heute ein paar neue Übungen für uns?
Fitnesstrainerin: Wie wäre es, wenn wir üben, über die Hurdle zu springen?
Quietschie: Die sieht aber ganz schön hoch aus.
Fitnesstrainerin: Das schaffst du locker, Quietschie. Komm! Ich zeig dir, wie man das am besten macht.
Quietschie: Gerne. Aber können wir dir vorher eine Frage stellen?
Yuki: Genau, wir haben nämlich ein Problem und hoffen, dass du uns helfen kannst.
Fitnesstrainerin: Na, dann schiesst mal los.
Yuki: Du hast bestimmt mitbekommen, dass Brownie und Ramses beide Chef in der WG sein wollen und deshalb bald eine Wahl stattfindet. Die Wahlplakate, die die beiden aufgehängt haben, sind kaum zu übersehen.
Quietschie: Letztens haben wir uns darüber unterhalten und uns gefragt, ob das überhaupt notwendig ist. Also ob wir überhaupt einen Chef brauchen, verstehst du? Wir könnten ja auch alle gleichberechtigt miteinander hier leben.
Yuki: Was meinst du? Muss es Rangordnung bei Katzen geben? Du kennst dich doch mit Katzen aus.
Fitnesstrainerin: Hmm, das ist keine einfache Frage. In Katzengruppen, so wie eurer WG, können sich durchaus mit der Zeit Hierarchien entwickeln. Meist gibt es in einer Katzengruppe, je nach Größe, ein oder zwei Chefs. Die anderen Mitglieder sind gleichberechtigt und verkehren je nach Symphatie miteinander. Allerdings sind diese Hierarchien nicht so starr und absolut wie das z.B. bei Hunden der Fall ist. Und die Betonung liegt auf Können. Beobachtungen einer Vielzahl von freilebenden Katzengruppen durch Paul Leyhausen und sein Team haben ergeben, dass es auch Gruppen gibt, die völlig ohne Chefs auskommen und in denen alle Mitglieder gleichberechtigt sind.
Quietschie: Das hört sich gut an; ohne Chef zu leben. Gibt es denn Erkenntnisse darüber, was für Umstände gegeben sein müssen, damit sich eine solch gleichberechtigte Katzengruppe bildet?
Fitnesstrainerin: Genau sagen kann man das nicht. Die Bildung einer Hierarchie hängt von vielen Faktoren ab, z.B. auch vom Charakter der Katzen, die innerhalb der Gruppe leben.
Yuki: Oh, dann haben wir schlechte Karten. Ramses und Brownie sind beide geborene Alphatiere.
Fitnesstrainerin: Aber auch die können davon abgehalten werden, unbedingt eine Chefposition innehaben zu wollen.
Yuki: Wie denn?
Fitnesstrainerin: Wenn im Revier genug Ressourcen vorhanden sind und die Mitglieder der Gruppe nicht darum kämpfen müssen.
Quietschie: Welche Ressourcen sind das?
Fitnesstrainerin: Dazu gehören unter anderem das Futterangebot, ausreichend Platz und Rückzugsmöglichkeiten, genug Freizeitangebote und, naja, genug Möglichkeiten, seine Geschäfte zu verrichten.
Yuki: Hier in der WG mangelt es uns an nichts. Wir haben jeder unser eigenes Klo und draußen auf der Terrasse noch ein paar Blumenkübel, die man auch als Klo benutzen kann. Futter gibt es 3-4x am Tag und zwischendurch noch Leckerlis. Bettchen stehen in jedem Raum mehrere zur Verfügung.
Quietschie: Ja, und wir haben alle verschiedene Lieblingsbettchen, da kommen wir uns eh nicht in die Quere.
Fitnesstrainerin: Das hört sich doch gut an.
Yuki: Und was machen wir nun? Wir wissen zwar jetzt, dass wir in der WG eigentlich keinen Chef brauchen, aber wie bringen wir den beiden das bei?
Fitnesstrainerin: Dabei kann ich euch leider nicht weiterhelfen. Ich kümmere mich aber gerne verstärkt um eure Spieleinheiten. Damit auch beim Freizeitangebot keiner zu kurz kommt.
Quietschie: Eins steht auf jeden Fall fest, die Wahl kann so wie geplant nicht stattfinden.
Fitnesstrainerin: Ich hab da noch eine Idee. Ich weiß, dass sowohl Ramses als auch Brownie sehr verkuschelt sind. Was haltet ihr davon, wenn ich die beiden mit ausgiebigen Kuscheleinheiten ablenke? Dann habt ihr Zeit, euch was zu überlegen.
Quietschie: Sehr gute Idee. Vielen Dank für die Hilfe.
Yuki: Miau!
Seht ihr? Da kann man ja nur schlaflose Nächte bekommen. Das ist doch unfassbar. Da hab ich nun monatelang all mein Herzblut in die Planungen meiner Revolution gesteckt und jetzt sowas. Wahlboykott. Dabei war ich mir so sicher, dass ich bald die Alleinherrscherin in der WG bin.
Was soll das überhaupt heißen, dass wir keinen Chef brauchen? Das seh ich anders. Ob es wohl noch eine Möglichkeit gibt, die Situation zu retten?
Die ganze Geschichte:
Ramses? Nein, danke!
Quelle: Paul Leyhausen, Katzen – eine Verhaltenskunde
Paul Leyhausen, Katzenseele
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